ProWein 2019: COPY & PASTE ODER INVENT & DO? Die Weltleitmesse für Wein ist vom 17.-19. März 2019 in Düsseldorf

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Vor Beginn jeder Messe fragen Presse und Besucher immer nach „den“ Trends für das neue Jahr – auch jetzt, kurz vor der ProWein 2019, ist das wieder der Fall. Aber wird die Düsseldorfer „Weltleitmesse für Wein“ ihrem selbst gegebenen Anspruch überhaupt noch gerecht? Werden die Trends vielleicht woanders gemacht und hier in Deutschland hechelt man nur hinterher?

Deutschland einig Messeland. Kein anderes Land weltweit weist so viele so erfolgreiche Messen auf wie Deutschland. Von den sechs größten Messen der Welt finden allein vier in Deutschland statt (bauma, Agritechnica, Hannover Messe Industrie, IAA).

Messen sind ein wichtiger Baustein und echter Erfolgsfaktor des Exportweltmeisters. Weltweit kommen Kunden und Fachjournalisten hierher, um „Made in Germany“ vor Ort zu erleben. Und die internationalen Aussteller ziehen nach, stellen in Deutschland ebenfalls aus, damit sie gegen die lokalen Platzhirsche nicht noch mehr Marktanteile verlieren.

Aber der deutsche Weinmarkt ist anders. Deutschland exportiert wenig einheimische Weine. Ganz im Gegenteil, wir sind der Importweltmeister. Jede zweite Flasche, die hier vermarktet und getrunken wird, ist aus dem Ausland. Heißt das im Umkehrschluss, dass in Deutschland selbst keine Trends gemacht werden – und die deutschen Winzer vielleicht sogar nur Copy-Cats sind und Weltmeister im Kopieren?

Was sind also die weltweit wichtigsten Weintrends aktuell? Und wie finden diese auf der ProWein 2019 bei den deutschen Winzern statt? Ist man mutig und setzt Trends? Oder reagiert man maximal nur noch auf den Markt?

 

Trend Nr. 1:  Rosé

Zwar sind sie mittlerweile geschieden, aber Angelina Jolie und Brad Pitt wirken heute so, als ob sie den Rosé-Boom mit angestoßen haben (USA: +66% in 2017). Seit ihrem Start in die Weinwelt 2012 kostet schon der Einstiegswein vom Jolie-Pitt-Weingut Château Miraval in der Provence ab 15,90 €/Fl. aufwärts. Insbesondere Rosé aus Südfrankreich in teilweise artistisch anmutend designten Klarglasflaschen ist im Trend – egal ob als Stillwein oder schäumend. In den USA ist die Rosé-Kategorie in 2017 um 53 % gestiegen.

Hierzulande hingegen tritt Rosé auf der Stelle. Der Anteil von Weinen dieser Kategorie aus Deutschland am Gesamtmarkt sinkt stetig leicht von ehemals 13,2 % auf mittlerweile nur noch 10,7 % in 2017 (Quelle: Dt. Weininstitut)

Zwischenstand Deutschland gegen den Rest der Welt = 0:1 Trendpunkte

Fazit Rosé:  In Deutschland eine ungenutzte Chance, dabei ist das hiesige Klima ideal für Rosé. Nicht jeder Sommer ist so heiß wie 2018 und somit für Rotwein geeignet. Erfrischend-lebendige Cool-Climate-Rosés lassen sich aber immer erzeugen. Hierfür muss deutscher Rosé allerdings raus aus seiner klebrig-süßen Ecke. Das Dauerargument „perfekt für den Mädelsabend“ ist vielleicht ein bisschen zu wenig. Neue Anlässe, trockenere Stilistik und eine mediterranere Anmutung könnten helfen.

 

Trend Nr. 2:  Aromarebsorten

Die Älteren erinnern sich bestimmt noch an den Moscato d’Asti Boom der 70er/80er Jahre. Dieser kommt gerade wieder – nicht aus Italien, sondern aus den USA. Moscato liegt dort bereits nach Chardonnay und Pinot Grigio auf Platz 3 der meistverkauften Rebsorten. Eine andere boomende Aromarebsorte ist Sauvignon Blanc. Ursprünglich typisch für die Loire, hat der frische, florale Weinstil Neuseelands dessen Rebsortenprofil revolutioniert. Vor 40 Jahren dort erstmals angepflanzt, sind >55 % der 36.000 ha Neuseelands mit Sauvignon Blanc bestockt. 85 % (!!) der Weinexporte des Landes entfallen auf diese Rebsorte. Weltweit kopieren Kellermeister den reduktiven Stil ihrer Kollegen von der Südhalbkugel. Mit Verdejo aus Rueda kann Spanien aktuell eine ähnliche Erfolgsstory aufweisen.

Und Deutschland? Die vergleichbaren Aromarebsorten Kerner und vor allem Scheurebe bilden die Basis für die immer beliebteren Sommer-Cuvées, die fast jeder Winzer seit einigen Jahren anbietet. Müller-Thurgau klingt vielleicht nicht so sexy wie Sauvignon Blanc, wenn er aber mit neuseeländischen Techniken vinifiziert wird, schmeckt er auf einmal vergleichbar. Dann muss er nur noch so cool vermarktet werden, wie der erfolgreiche Perlwein „Fritz Müller“ und zack, ist ein erfolgreicher Trend da. Und die Pfalzwein-Werbung hat im Januar erst Sauvignon Blanc zur Rebsorte des Jahres 2019 ernannt. Es tut sich also was.

Zwischenstand Deutschland gegen den Rest der Welt = 0,5:1,5 Trendpunkte

Fazit Aromarebsorten:  Auch hier vergibt Deutschland Chancen, aber wenige. Alternativ zu Sauvignon Blanc, Verdejo oder Grillo können deutsche Winzer mit einer Vielzahl an aromatischen Rebsorten auftrumpfen. Kerner, Bacchus und Rosen-Muskateller sind nur einige Beispiele. Und nicht umsonst wird die Scheurebe von Winzern scherzhaft auch „die deutsche Antwort auf Sauvignon Blanc“ genannt. Nirgendwo sonst auf der Welt entstehen dank des kühleren Klimas so wunderschön aromatische Weißweine wie in Deutschland. Wenn also schon nicht die Namen der Rebsorten exotisch klingen, dann müssen wir denselben langen Atem haben wie Österreich. Dort bestehen die Weinkarten zu 75 % aus einheimischen Produkten.

 

Trend Nr. 3:  Prickelndes

Prosecco, Cava, English Sparkling und Champagner boomen. Aber hier überlagern/ergänzen sich mehrere Effekte – abhängig von der jeweiligen Region. In den USA handelt es sich z. B. um Upselling, d. h. immer mehr Amerikaner werden vom Bier- zum Weintrinker. Jetzt entwickeln sich diese Einsteiger noch weiter hin zu Prickelndem (+9,9 % in 2018); und egal ob Prosecco oder Champagner, diese sind immer etwas teurer als Stillweine. In anderen Ländern sucht man nach günstigeren Alternativen zum immer hochpreisigeren Champagner. Perfektes Beispiel ist das Champagner-Importland Nr. 1: Großbritannien. Noch vor 10 Jahren fristeten Prosecco und Cava dort ein Nischendasein. Dank Brexit & Co. boomen jetzt die günstigen Alternativen. Und aufgrund des Klimawandels gilt im höherpreisigen Bereich „Drink Local“ mit English Sparkling für 20-30 £ pro Flasche aufwärts.

Deutschland ist mit einem Absatzvolumen von rund 275 Mio. Litern und einem Pro-Kopf-Verbrauch von 3,3 Litern im Jahr der größte Schaumweinmarkt der Welt. Das Deutsche Weininstitut hat für 2019 als Leitthema „Deutschlands beste Sekte“ und stellt somit deren Vielfalt in den Mittelpunkt. Diverse neue Sektprojekte (Reichsrat von Buhl, Griesel, Strauch) haben in jüngerer Zeit für einen Qualitätsschub gesorgt.

Zwischenstand Deutschland gegen den Rest der Welt = 1,5:2,5 Trendpunkte

Fazit Prickelndes:  In Sachen Quantität geht der Trendpunkt eindeutig an Deutschland, aber bei der Qualität (Einstiegssekte schon ab 2,49 €/Fl. inkl. 1,02 € Sektsteuer und 19 % MwSt.) und vor allem beim Image (Prosecco vs. Sekt) ist noch Luft nach oben. Insbesondere im Export hat deutscher Sekt und Secco noch enorme Chancen.

 

In Summe muss man also feststellen, dass Trends vielleicht nicht auf der ProWein gemacht werden. Dafür ist die weltgrößte Weinmesse einfach zu groß. Ein Tanker ist nun einmal nicht so wendig wie ein Powerboot. Zum Ausgleich werden aber die Geschäfte auf der ProWein gemacht und somit ist sie ein perfektes Beispiel für den Erfolg des Messestandorts Deutschland.