Das eigene Weingut – eine herausfordernde Investition

Unternehmen und Manager erfüllen sich mit dem Kauf von Weingütern einen Traum.
Als Hobbywinzer Geld zu verdienen, ist allerdings nicht leicht.

Handelsblatt vom 20.01.2019: Eine Wohnung in London, Paris oder Berlin, ein Chalet in der Schweiz, die Finca auf Mallorca oder das Rustico in der Toskana – alles kalter Kaffee. Der wahre Genussmensch kauft sich ein eigenes Weingut und keltert selbst.

Eine Reihe von Prominenten hat sich bereits eingekauft in die Welt des Weins: Sting, Cliff Richard und Carlos Santana, die Hollywoodstars Brad Pitt und Angelina Jolie, Johnny Depp oder der US-Regisseur Francis Ford Coppola besitzen ein Weingut. Aber auch Wirtschaftsgrößen wie der Medienunternehmer Rupert Murdoch, Alibaba-Chef Jack Ma oder Wolfgang Reitzle, Ex-Vorstandschef des Dax-Konzerns Linde, sind Teilzeitwinzer.

Genauso übrigens wie Fußballlegende und Weltmeistertrainer Franz Beckenbauer, der 2013 gemeinsam mit seinen Geschäftsfreunden Fedor Radmann und Andreas Abold das 80 Hektar große südafrikanische Weingut Lammershoek nordöstlich von Kapstadt erwarb. Nicht zu vergessen Günther Jauch, Deutschlands aktuell wohl bekanntester Nebenberufswinzer, dessen Wein seit Kurzem bei Aldi zu kaufen ist.

„Die Möglichkeit, sich mit einem genussvollen Produkt unternehmerisch noch einmal zu betätigen, reizt viele Interessenten – auch unter ökologischen Gesichtspunkten“, sagt Bettina Kurz, Geschäftsführerin von Viva Business, einem Unternehmen, das weltweit Weingüter verkauft. Sie bietet zusammen mit ihrem Team auch ein anschließendes Interimsmanagement an. „Zwischen 2010 und 2017 gab es allein in Europa 150 größere Übernahmen im Weinbusiness“, sagt sie.

Die wenigsten dieser Investoren ackern allerdings selbst im Weinberg. Ganz anders Robert Wurm: Der ehemalige Manager bei Contitech, der Technologietochter des Dax-Konzerns Continental, sitzt auch selbst auf dem Traktor und liest seinen eigenen Wein. 2014 stieg der Ingenieur aus dem beruflichen Hamsterrad aus und erfüllte sich seinen Traum. Gemeinsam mit seiner spanischen Ehefrau erwarb er das Weingut Ottes im Rheingau mit sechs Hektar Anbaufläche.

Inzwischen hat er es auf acht Hektar vergrößert und baut dort überwiegend Riesling an. Er übernahm das Personal, stellte aber einen neuen Kellermeister ein und investierte viel in den Markenauftritt unter dem neuen Namen Weingut Wurm. Bereits 2015 konnte er seinen ersten kompletten Jahrgang vorstellen.

Etwas anderes, als ein Weingut im Rheingau zu kaufen, sei für ihn undenkbar gewesen, sagt Robert Wurm. Und das nicht nur, weil es am Rhein das einzige Anbaugebiet mit Süd-Nord-Ausrichtung ist. „Meine Frau und ich haben schließlich 2006 auch dort geheiratet“, begründet er seine Liebe für die Region.

Käufer müssen flexibel sein

Dass Wunsch und Wirklichkeit wie in Wurms Fall zur Deckung zu bringen sind, ist allerdings die Ausnahme, weiß Natascha Popp, geschäftsführende Gesellschafterin der Geisenheimer Unternehmensberatung Die Weinräte.

Popp bringt Quereinsteiger wie Robert Wurm, aber auch Investoren mit verkaufswilligen Winzern zusammen, begleitet die Kaufverhandlungen und übernimmt danach die betriebswirtschaftliche Beratung der Newcomer im Weinbusiness. „Unsere Kunden haben meist sehr klare Vorstellungen, was und wo sie kaufen wollen – die Realität sieht dann allerdings meist anders aus“, sagt die Expertin.

Das hat vor allem mit dem Angebot zu tun. Zwar ist die Zahl der Winzerbetriebe in Deutschland mit gut 43.000 sehr hoch. Die weit überwiegende Mehrheit von ihnen kommt allerdings vor allem wegen ihrer zu geringen Größe als Investment nicht infrage.

Von den etwa 16. 000 Haupterwerbsbetrieben sei vielleicht die Hälfte attraktiv für ihre Käuferklientel, schätzt Popp. Verkauft würden davon jedes Jahr aber nur etwa vier. „Und im Rheingau wechselt gerade mal alle sieben bis acht Jahre ein Weingut den Besitzer“, sagt sie. Im Verkaufsportfolio der Weinräte warten zurzeit etwa 15 bis 20 Betriebe mit den dazugehörigen Immobilien und Anbauflächen auf Käufer.

Bei der Beratung ihrer Kunden komme es daher darauf an, realistische und individuell angepasste Alternativen aufzuzeigen: „Statt für Riesling im Rheingau entscheidet man sich dann vielleicht für den Burgunder in Rheinhessen.“

Die typischen Investitionssummen für Weingüter liegen hierzulande zwischen ein und drei Millionen Euro, nicht viel verglichen mit dem, was in den klassischen Anbauregionen Italiens oder Frankreichs gezahlt wird. In die Wertermittlung lässt Betriebswirtin Natascha Popp die Summe sowohl der Sachwerte – Immobilien, Weinberge und Maschinen – als auch der Erträge aus den vergangenen Jahren und das künftige Gewinnpotenzial einfließen.

Die Immobilie macht dabei einen Großteil des Gesamtinvestments aus: Je nach Größe und Zustand der Gebäude liegt er zwischen 30 und 70 Prozent. Der Immobilienpreisboom der vergangenen Jahre ist an diesen Wirtschaftsgebäuden aber weitgehend vorbeigegangen. Von der Vorstellung, hierzulande ein charmantes historisches Weinschlösschen mit knirschender Kiesauffahrt zu finden, müssen sich die meisten allerdings verabschieden.

Solche Immobilien seien in Deutschland ausgesprochen rar, sagt Weinräte-Geschäftsführerin Popp. Zuletzt gelang das den Quereinsteigern Dorothee Heimes und Ludger Neuwinger-Heimes, Finanzchef beim Automobilzulieferer Freudenberg. Dem Ehepaar gehört seit 2016 das Saar-Weingut Würtzberg – mit historischem Gutshaus in Alleinlage und spektakulärem Blick über die Saar.

Ob sich ihr Investment und das der vielen anderen Neu-Weingutbesitzer auszahlt, hängt dabei – neben der Qualität von Weinberg und Keller – vor allem von einem stimmigen Vermarktungskonzept ab. „Der Weinmarkt hat sich in den vergangenen Jahren sehr verändert“, berichtet Popp. Kunden blieben „ihrem“ Winzer nicht mehr auf Jahre treu, der Wettbewerb habe sich deutlich verschärft.

Alteingesessene Winzer unterschätzten dies ebenso wie branchenfremde Quereinsteiger und Investoren, stellt die Unternehmensberaterin fest. Sie warnt: „Ein Weingut kann ganz schnell keinen Spaß mehr machen, wenn die Gewinne ausbleiben.“ Denn auch wenn kaum jemand ein Weingut kauft, um damit hohe Renditen zu erwirtschaften – dauerhaft rote Zahlen zu schreiben ist für die meisten dann doch nicht akzeptabel.

Quereinsteiger und Ex-Manager Robert Wurm kennt die Herausforderungen und weiß: Die Vorstellung vom Ausstieg aus dem stressgeplagten Manager- hinaus ins ruhige Winzerleben ist ein Mythos. „Ich kann mich nicht zurücklehnen, ich muss ständig am Ball bleiben“, sagt der 48-Jährige nach vier Jahren Arbeit als Weingutsbesitzer.

Als Manager bereiste er die Welt mit Schwerpunkt Korea – doch anstatt wie damals neue Budgets zu planen, heißt es nun: Kisten nach einer Bestellung packen, Weinproben mit potenziellen Kunden veranstalten, im Weinberg den Zustand der Reben begutachten. Vor allem aber habe er Demut und viel Respekt vor seinem Job – schon deshalb, weil die Weinherstellung lehre, dass der Mensch nur einen begrenzten Einfluss auf den eigenen Erfolg habe.

Ein erheblicher Teil hängt von Böden, Reben, Wetter, kurz: der Natur ab. „Jedes Jahr ist anders“, hat der Ingenieur gelernt. Was ihm aber vor allem gefalle, sei die „riesengroße Bandbreite meines neuen Jobs“, sagt Wurm, der seinen Umstieg aus der Industrie in die Weinwirtschaft nicht bereut: „Das macht mir noch immer Riesenspaß.“

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